Hinterher ärgern Sie sich, weil Sie vor lauter Erschöpfung kaum noch auf den Beinen stehen können. Weil mal wieder Ihre einzig freie Zeit fürs Wochenende draufging. Weil Sie das Gefühl haben, Ihr eigenes Leben bleibe auf der Strecke.
Warum? Warum tun sich so viele Menschen schwer, Nein zu sagen und klare Grenzen zu setzen?
Schauen wir uns die wichtigsten Gründe hierfür genauer an.
5 Gründe, warum Sie Ja statt Nein sagen
1. Die Angst vor Ablehnung
Sie ist eine der Hauptursachen, warum wir Ja sagen, obwohl wir Nein meinen. Wir möchten gefallen, geliebt und akzeptiert werden. Ein Nein hingegen könnte egoistisch, unfreundlich und unsympathisch rüberkommen. Und wer will das schon?
Wir fürchten, dass ein Nein dazu führen könnte, dass unser Gegenüber uns weniger respektiert. Viele Menschen haben Angst, dass ein Nein zu Konflikten führen und Ihre Beziehungen belasten könnte.
Wir möchten dazu gehören und nicht ausgegrenzt sein: „Was, wenn mein Chef sauer auf mich ist, weil ich die Aufgabe ablehne?“ „Was, wenn meine Freundin sich von mir abwendet?“
Diese Angst ist tief in uns verwurzelt, denn wir sind soziale Wesen. Eine Angst, die uns schon in der Kindheit eingeimpft wurde. „Sei ein braves Kind, sonst…“ „… hat dich die Mama nicht mehr lieb“, „….spielen die anderen Kinder nicht mehr mit dir“, „… bringt dir der Weihnachtsmann keine Geschenke“. Welche Drohungen auch immer folgten – ausgesprochen oder unausgesprochen – sie schüchtern uns als Kinder ein, denn Sie bedeuten Gefahr.
Natürlich sind diese Ängste nicht rational begründet, aber Sie fühlen sich real und bedrohlich an. Wir können sie nicht einfach abstreifen. Deshalb fühlt sich ein Nein wie ein Risiko an. Und wer geht schon gern das Risiko ein, kritisiert, abgelehnt und zurückgewiesen zu werden?
Gehorsam und Anpassung hingegen wurden belohnt. „Sei brav und mach, was man dir sagt.“ Dieses Verhaltensmuster hat sich in der kindlichen Seele eingebrannt und begleitet Sie bis ins Erwachsenenalter. Also sagen Sie lieber Ja statt Nein.
2. Das Ja als Automatismus
Viele von uns sagen Ja, ohne wirklich darüber nachzudenken. Es ist fast schon ein Reflex. Jemand bittet Sie um etwas und Sie stimmen sofort zu.
Wie schon aus der Angst vor Ablehnung hervorgeht, wurden die meisten Menschen bereits als Kinder darauf konditioniert, Ja zu sagen. Denken Sie einmal zurück: Wie oft haben Sie als Kind gehört, dass Sie nett und brav sein sollen, dass es wichtig sei, anderen zu helfen?
Und wahrscheinlich haben Sie gelernt, dass ein Nein mit Konsequenzen verbunden ist: Streit oder Strafe und immer das Gefühl, nicht genug zu sein. Die Lektionen sitzen tief und prägen Ihr Verhalten auch als Erwachsene.
Die Folge: Sie sagen sofort Ja, weil Sie glauben, dass es von Ihnen erwartet wird. Und weil es bequemer ist, Ja zu sagen, denn schließlich erspart es Ihnen auch unangenehme Gespräche und Konfrontationen.
Und ganz wichtig: Ein Ja erspart Ihnen ein schlechtes Gewissen!
3. Schuldgefühle lassen grüßen
Ein Klassiker: Sie lehnen eine Bitte ab und schon meldet sich dieses nagende Gefühl in Ihnen: das schlechte Gewissen.
„Hätte ich nicht doch lieber zusagen sollen?“ „Was denkt der andere jetzt von mir?“ „War das nicht egoistisch von mir?“ Die Selbstzweifel überschlagen sich in Ihrem Kopf und schon kommt Ihre Entscheidung ins Wanken.
Das schlechte Gewissen lässt sich nur schwer aushalten und ertragen. Stimmt’s?
Besonders Menschen, die gern und oft helfen und Harmonie schätzen, glauben, dass Sie andere im Stich lassen, wenn Sie Nein sagen. Sie fühlen sich für das Wohlergehen anderer Menschen verantwortlich und bürden sich dadurch eine schwere Last auf.
Sie kennen dieses schlechte Gewissen nur allzu gut? Sie möchten lernen, die Schuldgefühle abzulegen und Ihre Grenzen klar und deutlich zu kommunizieren? Dann ist mein Kurs „Endlich Nein sagen ohne schlechtes Gewissen“ genau richtig für Sie.
Doch wie wollen Sie Grenzen setzen, wenn Sie Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse gar nicht kennen?
4. Das Problem mit der eigenen Klarheit
Was wollen Sie eigentlich selbst? Für ein klares Nein braucht es ein klares Ja zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen, zu Ihren Prioritäten und Grenzen.
Wie wollen Sie Nein sagen, wenn Sie selbst nicht genau wissen, wo Ihre Grenzen liegen? Schwieriges Unterfangen, oder?
Wann haben Sie das letzte Mal bewusst darüber nachgedacht, was Ihnen wichtig ist und was Sie ganz persönlich brauchen? Diese Frage zu beantworten, wäre ein guter Startpunkt für mehr Klarheit.
Dann wird auch der nächste Grund, warum Sie Ja statt Nein sagen, bald der Vergangenheit angehören.
5. Die Furcht, etwas zu verpassen
FOMO (Fear of Missing Out) ist nicht nur ein bekanntes Social-Media-Phänomen. Diese Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, schwingt auch beim Neinsagen mit. Da schleichen sich dann Gedanken ein wie: „Wenn ich diesen Auftrag ablehne, verliere ich eine berufliche Chance.“ Oder: „Wenn ich die Einladung ausschlage, verpasse ich einen tollen Abend.“
Doch seien Sie ehrlich: Wie oft haben Sie schon einen Termin zugesagt und sich hinterher gewünscht, Sie wären zu Hause geblieben – eingekuschelt in eine Decke, mit einem guten Buch und einer Tasse Tee?

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Die Konsequenzen des Nicht-nein-sagen-könnens
Es mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, Ja zu sagen, obwohl Sie eigentlich Nein meinen. Doch auf Dauer werden gravierende Folgen nicht ausbleiben.
Ständiges Jasagen führt zu Stress, Überforderung und gesundheitlichen Problemen -körperlicher und psychischer Natur.
Sie leiden unter Erschöpfung und Schafstörungen, liegen nachts grübelnd wach. Am Tag fühlen Sie sich matt und müde. Die Muskeln sind verspannt, das Herz rast. Sie haben das Gefühl, jemand schnürt Ihnen die Luft ab.
Langsam gleiten Sie in ein Burnout, werden depressiv und bekommen Angst- und Panikzustände.
Denken Sie nur an eine Autobatterie. Wenn Sie ständig mehr Energie abgeben, als Sie wieder aufladen, ist irgendwann Schluss. Sie fühlen sich ausgebrannt, genervt und unfair behandelt.
Ständiges Jasagen kann auch Ihre Beziehungen belasten. Wenn Sie immer zur Verfügung stehen, fangen andere an, Ihre Zeit und Energie als selbstverständlich zu nehmen.
Und Sie? Mag sein, dass Sie irgendwann insgeheim wütend auf Menschen sind, die Ihre Gutmütigkeit ausnutzen. Doch bedenken Sie: Sie selbst sind es, der die Grenzen nicht setzt. Der zulässt, dass andere Ihre Zeit und Energie beanspruchen.
Einfache Strategien, Nein zu sagen
Die gute Nachricht: Nein zu sagen ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Hier sind einige Strategien, die Ihnen dabei helfen:
1. Machen Sie sich Ihre Prioritäten bewusst
Bevor Sie jemandem zusagen, fragen Sie sich: Passt diese Bitte zu meinen Zielen, Werten und Kapazitäten?
Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, was Ihnen wirklich wichtig ist, fällt es Ihnen auch leichter, unnötige Verpflichtungen oder Aufgaben abzulehnen.
2. Erbitten Sie sich eine Denkpause
Falls Sie dazu neigen, im Affekt Ja zu sagen, legen Sie sich eine kleine Verzögerungstaktik zurecht.
Sagen Sie zum Beispiel: „Ich muss kurz meinen Kalender checken.“ oder „Ich denke darüber nach und gebe Ihnen in 10 Minuten Bescheid.“ Diese Pause verschafft Ihnen Zeit, Ihre Entscheidung bewusst zu treffen.
3. Beginnen Sie in kleinen Schritten
Sagen Sie Nein in Situationen, die keine großen Konsequenzen nach sich ziehen, wie zum Beispiel: „Nein, ich möchte heute keine Kundenkarte beantragen.“ „Nein, ich möchte keinen Nachtisch.“
Je mehr positive Erfahrungen Sie damit machen, desto leichter fällt es Ihnen, ein Nein in schwierigen Situationen auszusprechen.
4. Finden Sie Ihre eigene Sprache
Ein Nein muss keineswegs unfreundlich oder egoistisch klingen.
Hier einige Vorschläge für Formulierungen: „Danke, dass Sie an mich gedacht haben, aber diesmal muss ich leider passen.“ „Ich würde Ihnen gern helfen. Aber ich habe selbst gerade alle Hände voll zu tun.“ „Das klingt zwar sehr interessant, aber ich habe momentan keine Kapazitäten frei.“
5. Stehen Sie zu Ihrem Nein
Manchmal werden Menschen versuchen, Sie umzustimmen. Bleiben Sie standhaft und wiederholen Sie ruhig, aber bestimmt Ihre Entscheidung. Sie müssen sich nicht rechtfertigen oder in endlose Diskussionen einsteigen.
Fazit
Wenn Sie lernen, Nein zu sagen, werden Sie bald die positiven Auswirkungen spüren. Sie gewinnen mehr Zeit für Dinge, die Ihnen wirklich wichtig sind und schützen Ihre Energie und Ihre Gesundheit.
Ein Nein muss keineswegs zu Ablehnung und Zurückweisung führen. Im Gegenteil, Ehrlichkeit und klare Grenzen verschaffen Ihnen Respekt. In den meisten Fällen werden Ihre Beziehung sogar davon profitieren.
Sie müssen nicht mehr das brave Kind sein, das darauf konditioniert wurde, immer freundlich und hilfsbereit zu sein.
Lernen Sie, Ihr schlechtes Gewissen auszuhalten, wenn Sie sich für ein Nein entschieden haben. Und vor allem: Bleiben Sie standhaft bei Ihrer Entscheidung.
Machen Sie sich bewusst, welche ureigenen Wünsche und Bedürfnisse Sie haben. Diese Klarheit hilft Ihnen, leichter Grenzen zu setzen.
Nein zu sagen mag am Anfang unangenehm sein. Doch selbst ein Kleinkind kann das Wort perfekt aussprechen und setzt es ein, wann immer es ihm passt. Erinnern Sie sich, wie entschlossen Sie als dreijähriges Kind waren, wenn Sie partout keinen Spinat essen wollten? Klingt doch eigentlich gar nicht so schwer.
Jedes Nein zu anderen ist ein klares Ja zu sich selbst. Und das ist keinesfalls egoistisch, sondern lebensnotwendig!
Was ist Ihr größtes Hindernis beim Neinsagen? Haben Sie sich in einem der 5 Gründe wiedererkannt?

Die Autorin
Dr. Claudia Neumann ist Ärztin für tiefenpsychologische Psychotherapie. Sie gibt Workshops für mehr Selbstbewusstsein und Selbstliebe und hält Vorträge für gelingende Mitarbeiterbindung – gestützt auf Erkenntnisse aus der Psychologie, der Verhaltensforschung und den Neurowissenschaften. Darüber hinaus ist sie ausgebildete Schreibberaterin für wissenschaftliches und literarisches Schreiben und beschäftigt sich mit KI-Workflows. Sie liebt es, Dinge in ihrer Tiefe zu durchdringen, auf den Punkt zu bringen und komplexe Themen einfach und verständlich zu erklären. Sie lebt in Berlin und schreibt in ihrer Freizeit Drehbücher.
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